(Vergleiche Amtsgericht Berlin-Tiergarten, Urteil vom 20.4.2017, Az. 315 Cs 3023 JS 2034/16 254/16)
Ab einer BAK von 1,1 ‰ gilt ein Autofahrer als absolut fahruntüchtig, auch wenn keine Ausfallerscheinungen festgestellt werden. Bei einer BAK von 3,12 ‰ – wie im vom AG Berlin-Tiergarten zu entscheidenden Fall gegeben – wird im Regelfall von einer schweren Alkoholproblematik, sogar einer Alkoholabhängigkeit, auszugehen sein. Eine zur absoluten Fahruntüchtigkeit ausreichende Blutalkoholkonzentration indiziert grundsätzlich die Ungeeignetheit der betroffenen Person ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen, weshalb die Fahrerlaubnis in diesen Fällen, bei einer strafrechtlichen Verurteilung, regelmäßig ohne weiteres entzogen wird.
Das Amtsgericht Tiergarten weist in seinem Urteil vom 20.4.2017 richtigerweise darauf hin, dass die indizielle Wirkung der Blutalkoholkonzentration für diese Regelfolge im Einzelfall aus konkreten Gründen heraus widerlegt sein kann. Vorliegend lag zwischen der Alkoholfahrt und der mündlichen Verhandlung des Strafverfahrens ein Zeitraum von mehr als einem Jahr. In diesem Zeitraum hatte der Angeklagte keinerlei Alkohol mehr zu sich genommen und sich darüber hinaus einer auf Alkoholproblematik spezialisierten verkehrspsychologischen Einzeltherapie erfolgreich unterzogen. Das Gericht sah daher die am Tattag durch die hohe Blutalkoholkonzentration noch indizierte fehlende Geeignetheit des Angeklagten ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen als zwischenzeitlich wiederhergestellt an. Das Gericht stützte sich dabei auf den etwas über einjährigen Abstinenzzeitraum und die vom Angeklagten aus eigenem Antrieb begonnene und erfolgreich abgeschlossene intensive, alkoholspezifische verkehrspsychologische Einzeltherapie, aufgrund deren es keine Zweifel mehr an der – wiederhergestellten – Fahreignung des Angeklagten hatte.
Anmerkung:
Das Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten ist keineswegs eine „juristische Sensation“ oder irgendwie eine Neuheit, denn es ist allgemein anerkannt, dass für die Beurteilung, ob eine Entziehung der Fahrerlaubnis zu erfolgen hat, auf die konkreten Umstände zum Zeitpunkt der strafrechtlichen Entscheidung abzustellen ist.
Das Urteil demonstriert aber wie wichtig es ist, dass der Täter einer Alkoholfahrt (im Grundsatz gilt das Gleiche auch für andere Rauschmittel) bereits unmittelbar nach der Tat damit beginnt seine Problematik zu akzeptieren und in geeigneter Weise aufzuarbeiten. Hier ist immer höchste Eile geboten, denn die Gerichte akzeptieren in der Regel keinen geringeren Abstinenzzeitraum als ein Jahr. Dabei geht es um einen von einer hierzu zugelassenen Stelle permanent überwachten und dokumentierten Abstinenzzeitraum, bei dem zahlreiche unangekündigte, kurzfristige Termine zur medizinischen Untersuchung mit Abgabe von Blutproben, Urinproben, etc von der Überwachungsstelle angeordnet werden. Auch die erforderliche verkehrspsychologische Aufarbeitung in Einzelsitzungen und mit einem hierfür staatlich besonders anerkannten Verkehrspsychologen dauert immer längere Zeit. Sie muss daher frühzeitig organisiert und innerhalb des ohnehin zurückzulegenden Abstinenzzeitraums erfolgreich bewältigt werden.
Zugleich zeigt sich hier auch wie wichtig es sein kann den Verlauf des strafrechtlichen Verfahrens mit anwaltlicher Hilfe so zu steuern, dass dem Täter auch die Möglichkeit bleibt einen ausreichend langen Abstinenzzeitraum nachzuweisen und sich zugleich geeigneter professioneller Hilfe zur Aufarbeitung seiner Rauschmittelproblematik zu bedienen, sei es nun Alkohol oder andere Rauschmittel, und hier zu einem erfolgreichen Abschluss der Maßnahmen zu kommen. Anderenfalls wird die strafrechtliche Hauptverhandlung meist weniger als ein Jahr nach der Rauschfahrt liegen, so dass dann noch kein ausreichend langer Abstinenzzeitraum vorliegt und häufig genug auch eine verkehrspsychologische Maßnahme noch nicht abgeschlossen ist.