Im Koalitionsvertrag hatte die Große Koalition unter anderem eine grundlegende Reform der Investmentbesteuerung vereinbart. Mit dem "Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung" haben Bundestag und Bundesrat dieses Vorhaben nun umgesetzt. Für Kleinanleger bedeutet das Gesetz eine drastische Vereinfachung bei der Steuererklärung, was aber nicht bedeutet, dass die Materie insgesamt einfach wäre. Wie komplex die Reform zumindest für die Investmentfonds ist, zeigt der Umfang des Gesetzes von 40 Seiten reinem Gesetzestext und weiteren rund 100 Seiten Gesetzesbegründung.
Nach dem geltenden Recht werden Gewinne nicht auf der Ebene der Investmentfonds besteuert. Die Fonds sind also gewissermaßen steuerlich transparent. Kernstück der Reform ist die Ablösung dieses transparenten durch ein intransparentes Besteuerungssystems für Publikums-Investmentfonds, bei dem Gewinne schon auf Ebene des Fonds pauschal besteuert werden. Ein durchschnittlicher Anleger muss sich daher künftig nicht mehr mit den verschiedensten Fondsdaten herumschlagen.
Die Reform wird im Wesentlichen zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Eine Ausnahme gilt lediglich für die Änderung zur Verhinderung von Cum/Cum-Geschäften; diese soll schon ab 2016 gelten, um solchen Steuergestaltungen sofort den Boden zu entziehen. Hier ist ein Überblick über die Änderungen, die in der Endfassung des Gesetzes enthalten sind.
Vereinfachung für Anleger: Während Anleger bisher bis zu 33 verschiedene Besteuerungsgrundlagen berücksichtigen müssen, reichen künftig 4 Kennzahlen für die Steuererklärung aus, nämlich die Höhe der Ausschüttung, der Wert des Fondsanteils am Jahresanfang und am Jahresende sowie die Art des Fonds (Aktienfonds, Mischfonds, Immobilienfonds oder sonstiger Fonds).
Besteuerungssystem: Bisher erhalten inländische Fonds Dividenden steuerfrei. Dividendenzahlungen an ausländische Fonds lösen dagegen Kapitalertragsteuer aus, was eine komplexe Besteuerung aus Anlegersicht zur Folge hat und gleichzeitig zu einer Wettbewerbsverzerrung und damit auch zu einem erheblichen EU-rechtlichen Risiko für den deutschen Fiskus führt. Für Publikums-Investmentfonds, die Privatanlegern offenstehen, führt das Gesetz daher ein neues Besteuerungssystem ein. Das bisherige transparente Besteuerungssystem wird nur noch für Spezial-Investmentfonds fortgeführt, in die ausschließlich institutionelle Anleger investieren dürfen.
Publikumsfonds: Künftig gilt für inländische und ausländische Investmentfonds unterschiedslos auf Fondsebene eine Körperschaftsteuer von 15 % inklusive Solidaritätszuschlag, soweit Deutschland für die jeweiligen Einkünfte ein Besteuerungsrecht zusteht. Der Grund für diesen Steuersatz ist, dass viele Doppelbesteuerungsabkommen den Quellensteuerabzug auf 15 % beschränken, wodurch ein höherer Steuersatz inländische Fonds benachteiligen würde. Um eine Mehrbelastung von Anlegern zu vermeiden, die steuerlich begünstigt sind, entfällt diese Besteuerung auf Fondsebene in dem Umfang, in dem am Fonds gemeinnützige Anleger (Stiftungen und Kirchen) beteiligt sind. Steuerbefreit sind außerdem Fonds, die Anteile für zertifizierte Altersvorsorgeverträge halten (Riester- und Rürup-Rente).
Anleger-Besteuerung: Damit es beim Anleger zu keiner Doppelbesteuerung kommt, wird die steuerliche Vorbelastung auf Fondsebene sowie die fehlende Anrechnungsmöglichkeit für ausländische Steuern durch eine Teilfreistellung von Ausschüttungen kompensiert. Eine solche Teilfreistellung gibt es allerdings nur für Aktien-, Immobilien- und Mischfonds. Erträge aus anderen Fondstypen sind beim Anleger voll steuerpflichtig. Die Teilfreistellung erfolgt pauschal und unabhängig davon, ob und in welcher Höhe der Fonds besteuert wurde. Im Gegenzug dürfen Werbungskosten und Betriebsausgaben auch nur anteilig geltend gemacht werden. Für Fondsanteile im Betriebsvermögen gibt es teilweise deutlich höhere Freistellungssätze. Allerdings werden Anteile im Betriebsvermögen beim Kapitalertragsteuerabzug zunächst wie Anteile von Privatanlegern behandelt. Die höheren Teilfreistellungen werden erst bei der Steuerveranlagung berücksichtigt.
Aktienfonds: Als Aktienfonds gelten Investmentfonds, die durchgehend mindestens 51 % ihres Wertes in Aktien oder Anteilen an anderen Aktienfonds halten. Anteile an anderen Fonds werden dabei aber nur teilweise gewertet, was schnell dazu führen kann, dass ein Dachfonds nicht mehr als Aktienfonds sondern nur noch als Mischfonds gilt. Für Privatanleger werden bei Aktienfonds 30 % der Ausschüttungen steuerfrei sein. Betriebliche Anleger erhalten eine Teilfreistellung von 60 % und Anleger, die der Körperschaftsteuer unterliegen, sogar von 80 %.
Mischfonds: Mischfonds sind solche Fonds, die zumindest 25 % ihres Kapitals durchgehend in Aktien oder Aktienfonds investieren. Für Mischfonds gelten die halben Sätze für die Teilfreistellung wie für Aktienfonds, also 15 % für Privatanleger.
Immobilienfonds: Analog zur Definition des Aktienfonds sind Immobilienfonds solche Fonds, die mindestens 51 % ihres Werts in Immobilien und Immobilien-Gesellschaften anlegen. Hält der Fonds Anteile an anderen Immobilienfonds, dann gelten diese mit 51 % ihres Werts als Immobilien. Bei Immobilienfonds hängt die Höhe der Teilfreistellung nicht vom Anlegertyp ab, aber von der Immobilienart. Im Regelfall sind 60 % der Erträge steuerfrei. Für Immobilienfonds, die fortlaufend zu mindestens 51 % ihres Werts in ausländische Immobilien investieren, erhöht sich die Freistellung jedoch auf 80 %, um die Vorbelastung mit ausländischer Quellensteuer zu kompensieren.
Fondsänderung: Ändert sich die Fondsart und damit die Höhe der Teilfreistellung oder werden die Voraussetzungen für die Teilfreistellung vom Fonds nicht mehr erfüllt, gelten die gehaltenen Fondsanteile am letzten Tag der ursprünglichen Teilfreistellung als verkauft und am Folgetag wieder neu angeschafft. Der Gewinn aus diesem fiktiven Verkauf gilt allerdings erst dann als zugeflossen, wenn die Fondsanteile tatsächlich verkauft werden und wird somit auch erst dann besteuert.
Gewerbeerträge: Für die Berechnung des Gewerbeertrags werden die Teilfreistellungssätze, die bei der Einkommen- oder Körperschaftsteuer gelten, nur zur Hälfte berücksichtigt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Fonds gewerbesteuerbefreit ist.
Nachweis: Normalerweise ergibt sich die Fondsart und damit die Höhe der Teilfreistellung aus den Anlagebedingungen des Fonds. Ist das ausnahmsweise nicht der Fall, kann der Anleger auch im Rahmen der Steuererklärung nachweisen, dass der Fonds durchgehend in ausreichendem Umfang Aktien oder Immobilien gehalten hat.
Thesaurierung: Bisher wurden Erträge, die nicht an die Anleger ausgeschüttet, sondern thesauriert wurden, trotzdem zeitnah als ausschüttungsgleiche Erträge besteuert. Das soll auch künftig grundsätzlich so bleiben, allerdings ändert sich die Methode. Die thesaurierten Erträge werden nun nicht mehr exakt, sondern aus Vereinfachungsgründen pauschal ermittelt. Dazu wird eine Vorabpauschale aus dem Rücknahmepreis des Fonds am Jahresbeginn und dem Basiszinssatz, reduziert um die tatsächlich erfolgten Ausschüttungen, ermittelt. Zusätzliche Regelungen sollen eine Überbesteuerung vermeiden. Beim Verkauf von Fondsanteilen werden dann die während der Besitzzeit aufgelaufenen und versteuerten Vorabpauschalen in voller Höhe vom Veräußerungsgewinn abgezogen, auch wenn sie aufgrund der Teilfreistellung nur anteilig versteuert werden mussten.
Bestandsschutz: Veräußerungsgewinne aus Fondsanteile, die vor 2009 erworben wurden, waren bisher grundsätzlich steuerfrei. Diese Steuerfreiheit wird nun zeitlich so eingeschränkt, dass nur noch Wertveränderungen unbeschränkt steuerfrei sind, die bis zum 31. Dezember 2017 entstehen. Wertveränderungen, die ab dem 1. Januar 2018 entstehen, sind dagegen steuerpflichtig, soweit der Gewinn aus dem Verkauf von Altanteilen einen Freibetrag von 100.000 Euro übersteigt. Der verbleibende Freibetrag wird jedes Jahr gesondert festgestellt, bis er aufgebraucht ist. Verluste aus dem Verkauf von Altanteilen erhöhen den Freibetrag wieder, wenn er bereits teilweise verbraucht wurde. Für Kleinanleger bedeutet das faktisch weiterhin einen zeitlich unbegrenzten Bestandsschutz.
Geltungsbereich: Nach der Reform fallen deutlich mehr Investmentfonds unter die Investmentbesteuerung. Insbesondere gilt das neue System künftig neben offenen auch für geschlossene Investmentfonds und für fondsähnliche Vehikel, z.B. Kapitalanlagegesellschaften, die nur einen Anleger haben. Ausgenommen von der Investmentbesteuerung sind aber Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft.
Cum/Cum-Geschäfte: Zu den Steuergestaltungen, die unterbunden werden sollen, gehören die Cum/Cum-Geschäfte (nicht zu verwechseln mit dem auch als Cum/Ex-Geschäft bekannten Dividendenstripping). Damit können Steuerausländer und inländische Körperschaften durch den Verkauf von Aktien vor dem Dividendenstichtag die Besteuerung vermeiden. Zwar werden die Dividenden beim Käufer besteuert, der Verlust aus dem Verkauf der Aktie nach dem ausschüttungsbedingten Kursrückgang kann aber mit der erzielten Dividende verrechnet werden, sodass die einbehaltene Kapitalertragsteuer an den Käufer erstattet werden muss. Der Käufer verkauft die Aktien nach dem Kursrückgang wieder an den ursprünglichen Eigentümer und beide teilen sich die Steuerersparnis. Dieses Steuersparmodell wird durch einen Mindesthaltezeitraum von 45 Tagen innerhalb von 91 Tagen rund um den Dividendentermin ausgehebelt. Innerhalb dieser Zeit muss der Anleger das Kursrisiko zu mindestens 70 % tragen und darf nicht verpflichtet sein, Dividenden ganz oder teilweise an andere Personen abzuführen. Die neue Regelung ist recht komplex und im Gesetzgebungsverfahren zum Teil heftig kritisiert worden. Sie wurde daher etwas entschärft, bleibt aber im Grundsatz bestehen. Kleinanleger immerhin bleiben verschont, denn die Mindesthaltedauer gilt nur bei Dividendenerträgen von mehr als 20.000 Euro jährlich. Die Änderung gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2016.
Streubesitz-Verkäufe: Es ist eine alte Forderung der Länder, neben der bereits eingeführten Steuerpflicht für Streubesitzdividenden auch Veräußerungsgewinne aus Streubesitz zu besteuern. Ursprünglich sollte mit dem Gesetz daher für Unternehmen eine Steuerpflicht für Gewinne aus dem Verkauf von Streubesitzanteilen (Beteiligungen unter 10 %) eingeführt werden. Die Bundesregierung hat sich aber gegen eine solche Besteuerung gestellt, um die Finanzierung von Existenzgründern und jungen Firmen nicht zu gefährden. Das Vorhaben ist deshalb wieder aus dem Gesetz gestrichen worden.